Systemisch I wie Intervention

Systemische Begriffe kurz erklärt

Intervention

Man kann nicht nicht kommunizieren. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung.

In der systemischen Beratung und Therapie bezeichnet der Begriff Intervention alles, was die beratende, coachende oder therapierende Person in der Arbeit mit einem Klient:innensystem (sei es eine Einzelperson, ein Paar, eine Dyade, eine Gruppe oder eine Organisation) macht bzw. auch nicht macht. Interventionen sind, methodische Eingriffe, die dazu dienen, im Klient:innensystem neue Perspektiven zu eröffnen oder Handlungen anzuregen, um hilfreiche Unterschiede im Systemverhalten erlebbar zu machen.

Systemische Interventionen bieten die Möglichkeit, neue Perspektiven aufzuzeigen und alternative Denkrichtungen zu fördern. Sie können sowohl verbal als auch nonverbal, direkt oder indirekt eingesetzt werden, je nachdem, welche Dynamik im System erforderlich ist.

Als systemische Beraterin und Therapeutin nutze ich eine Vielzahl von Interventionstechniken, um Ihr System in Bewegung zu bringen und Veränderung anzustoßen. Diese Interventionen orientieren sich an verschiedenen Prinzipien und Paradigmen der systemischen Arbeit.

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Paradigma des systemischen Denkens

Die Grundlage systemischer Arbeit (Beratung, Therapie, Coaching, Organisationsentwicklung etc.) ist das systemische Denken. Dieses ist versteht sich als wissenschaftliches Paradigma oder Forschungsprogramm, welches theoretische Ansätze aus unterschiedlichen Disziplinen vereint. Die Gemeinsamkeit dieser Disziplinen ist, ein nichtreduktionistischen Zugang zu komplexen Phänomenen: Allgemeine Systemtheorie, Autopoiesetheorie, Kybernetik (2. Ordnung), Synergetik, Kommunikationstheorie, Konstruktivismus, die Chaostheorie und die Entdeckung  dissipativer Strukturen.

Systemische Gundannahmen und Prinzipien

Das Paradigma systemischen Denkens wird von einer Reihe von Prinzipien (Grundannahmen) geprägt, die den Rahmen für Interventionen bilden. Diese Prinzipien beeinflussen, wie Interventionen durchgeführt werden und welche Ziele sie verfolgen. Hier eine Übersicht der zentralen Prinzipien:

  • Allparteilichkeit: Die Fachperson bleibt neutral und zeigt keine Präferenz für eine der beteiligten Parteien. Alle Perspektiven werden respektiert.
  • Auftrag: Die systemische Arbeit erfolgt nur, wenn das Klient:innensystem direkt oder implizit einen klaren Auftrag erteilt. 
  • Arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten und Hypothesen: Anstatt absolute Wahrheiten zu suchen, wird in der systemischen Therapie mit Wahrscheinlichkeiten und Hypothesen gearbeitet, die fortlaufend überprüft und angepasst werden. 
  • Balance zwischen Bewahren und Verändern: Ein System muss sowohl stabilisiert als auch für Veränderungen geöffnet werden.
  • Expertentum der Klient:innensysteme: Systemische Berater- und Therapeut:innen würdigen die Selbstbestimmtheit (Autonomie) der Klient:innen und gehen davon aus, dass sie Expert:innen ihrer Selbst sind. In Kombination mit dem lösungsorientierten Ansatz in der systemischen Haltung ergibt sich daraus die Annahme, dass auch die Lösung bereits im Klient:innensystem vorhanden ist.  
  • Interdisziplinäre Wechselwirkungen: Der systemische Ansatz impliziert trans- und interdisziplinären Wechselwirkungen von Systemtheorie, Konstruktivismus und den Entwicklungen systemischer Praxis in Beratung, Therapie, Sozialer Arbeit, Biologie und Soziologie.
  • Kontextbezug: Das Verhalten von Individuen wird immer im Kontext ihrer sozialen und familiären Systeme betrachtet.
  • Konstruktivismus: Realität wird durch die Wahrnehmung der Beteiligten konstruiert. Jede Person schafft ihre eigene Realität und verändert sie.
  • Neugier und Respekt: Die Fachperson nähert sich den Klient:innen mit Neugier und Respekt, mit einer „nicht-wissenden“ Haltung („professionelle Blödheit“) ohne vorgefertigte Urteile (vgl. Neutralität).
  • Neutralität: Systemische Berater:innen und Therapeut:innen bleiben unvoreingenommen und fördern ein offenes Arbeitsbündnis.
  • Reflexivität statt Kausalität: Menschliches Verhalten ist nicht linear-kausal, sondern rekursiv vernetzt und multifaktoriell. Kognition und Kommunikation werden als rekursive Prozesse aufgefasst. Erkenntnis wird als beobachterabhängig verstanden. Entsprechend gibt es kein objektiv „richtiges“ Wissens.
  • Ressourcen-, lösungs- und zielorientiertheit: Der Fokus liegt auf den Stärken und Ressourcen der Klient:innen sowie auf der Suche nach Lösungen statt auf der Problemfokussierung. Die gemeinsame Suche nach geeigneten / hilfreichen Zielen (ersten kleinen Schritten die einen Unterscheid machen, der einen Unterschied macht) stellt eine wichtige Intervention dar.
  • Selbstorganisation – und Selbsterzeugung: Systeme besitzen die Fähigkeit zur Selbstregulation und haben nach dem Prinzip der Kypernetik 1. Ordnung das Bestreben einen Gleichgewichtszustand (Homöostase) im System aufrecht zu erhalten bzw. immer wieder herzustellen. Therapeutische Interventionen wirken von außen auf das System ein und setzen gezielte Impulse um Veränderungen zu initiieren. Die Kybernetik 2. Ordnung berücksichtigt also das Subjekt des Beobachters und löst gleichzeitig den Begriff der Homöostase ab. Mit dieser Aufmerksamkeitsverschiebung in Richtung derjenigen Prozesse, die Systemveränderung und Systementwicklung bewirken, bekommt die Theorie der Autopoesie (Selbsterzeugung) einen zentralen Stellenwert in der systemischen Arbeit und verändert das systemische Selbstverständnis maßgeblich. 
  • Würdigung von Widersprüchen und Ambivalenzen: Die systemische Arbeit erkennt die Widersprüchlichkeit im Verhalten und nutzt sie als Ressource für Veränderungen.
  • Zirkularität: Jede Veränderung im System beeinflusst wechselseitig die anderen Elemente des Systems. Verhalten ist nicht kausal, sondern zirkulär.

Diese Prinzipien bieten den Rahmen für die Interventionen und bestimmen, wie ein System in Bewegung gesetzt werden kann.

Systemische Interventionen

Systemische Therapie- und Beratungssituationen können durch eine Vielzahl an Interventionen gestaltet werden. Nicht alle dieser Interventionen entspringen originär einer systemischen Schule. Sie werden lediglich auch im Systemischen Setting angewendet. Im Folgenden stelle ich einige der bekanntesten und häufig verwendeten Interventionen vor, die die Systemtherapeut:in in der Praxis einsetzen kann:

Anteile-Arbeit

Die Anteile-Arbeit (siehe auch Anteile) zielt darauf ab, die verschiedenen „Anteile“ einer Person zu benennen, die zu bestimmten Verhaltensweisen führen. Diese Anteile können widersprüchlich sein, etwa der Anteil, der Nähe sucht, und der Anteil, der Unabhängigkeit wünscht.

Aufstellungs- oder Skulpturarbeit

Die Aufstellungsarbeit (siehe auch Familienaufstellung) ist eine Methode, bei der Klient:innen gebeten werden, Personen, Werte oder Konzepte symbolisch im Raum zu positionieren. Dadurch werden Beziehungsdynamiken und Systemprozesse sichtbar, was es den Klient:innen erleichtert, eingefahrene Muster zu erkennen und zu reflektieren.

Enactment

Beim Enactment spielen Klient:innen eine Situation oder ein Verhalten nach. Dies hilft, alternative Perspektiven einzunehmen und neue Handlungsmöglichkeiten zu entdecken, indem man eine Situation aus einer anderen Sichtweise erlebt.

Externalisierung

Die Externalisierung ist eine Methode, bei der Probleme oder Symptome als etwas außerhalb der betroffenen Person betrachtet werden. Das Problem wird als „etwas, das das System beeinflusst“, anstatt als Teil der Person. Dies hilft, das Problem von der Identität der Klient:innen zu trennen und eine objektivere Perspektive zu schaffen.

Genogrammarbeit

Das Genogramm ist ein visuelles Werkzeug, das familiäre Beziehungen und wichtige Ereignisse über mehrere Generationen hinweg darstellt. Es hilft, systemische Muster und unbewusste Dynamiken zu erkennen, die über die Generationen hinweg fortbestehen. Diese Arbeit kann insbesondere bei der Erforschung von familiären Traumata und Mustern hilfreich sein.

Hypothesenbildung und Hypothetisieren

  • Hypothesenbildung: Die Fachperson bildet Hypothesen über das Verhalten und die Dynamiken im System. Diese werden dann überprüft und angepasst, um den Klient:innen zu helfen, neue Perspektiven zu entwickeln.
  • Hypothetisieren: Eine Methode, bei der Klient:innen gefragt werden, wie sie sich eine mögliche Lösung oder Veränderung vorstellen können. Dies fördert kreative Denkprozesse und neue Lösungsansätze.

Joining

Joining bezeichnet einen Vorgang, bei der sich die Therapeut:in aktiv mit dem Klient:innensystem verbindet, um eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Durch das „sich Einlassen“ auf das System – sowohl emotional als auch kommunikativ – wird ein vertrauensvoller Rahmen für die Zusammenarbeit geschaffen, in dem Klient:innen, ihre Perspektiven und Erfahrungen teilen können. Ziel ist es, die Klient:innen in ihrer eigenen Realität zu verstehen um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. Dabei übernimmt die Therapeut:in eine mitfühlende Haltung und passt sich flexibel an das System an, um eine positive Veränderung zu fördern.

Kick-and-Stroke

Die Kick-and-Stroke-Intervention gibt den Klient:innen zunächst eine „Herausforderung“ (Kick) und unterstützt sie anschließend mit einer positiven Bestärkung (Stroking). Sie hilft, das System zu irritieren und neue Perspektiven zu schaffen. 

Lebensflussmodell

Das Lebensflussmodell ist eine Methode, bei der der Klient:in gebeten wird, das eigene Leben als Fluss darzustellen. Es hilft, vergangene Erfahrungen zu reflektieren und zukünftige Veränderungen zu planen, indem man das Leben als kontinuierlichen Prozess sieht.

Narratives Interview

Das Narrative Interview ermöglicht es den Klient:innen, ihre eigene Lebensgeschichte zu erzählen, wobei neue Perspektiven und Bedeutungen erschlossen werden. Diese Methode hilft, neue Narrative zu entwickeln und alternative Lösungen zu finden.

Ordeals

Ordeals ist eine paradoxe Intervention, bei der der Klient:in eine unangenehme Aufgabe bekommt, die so herausfordernd ist, dass er/sie das Symptom lieber aufgibt, um der Aufgabe zu entkommen.

Paradoxe Intervention

Die paradoxe Intervention fordert den Klient:in zu einem Verhalten auf, das er/sie normalerweise vermeiden möchte. Dies irritiert das System und führt dazu, dass der Klient:in eine neue Sichtweise auf das Problem entwickelt.

Parts Party

Die Parts Party ist eine Intervention, bei der Klient:innen verschiedene „Anteile“ ihrer Persönlichkeit in einem symbolischen Rollenspiel oder einer Darstellung äußern. Es hilft, verschiedene Perspektiven zu integrieren und innerer Widersprüche zu erkennen.

Reflektierendes Team

Ein Reflektierendes Team besteht aus mehreren Fachpersonen, die ihre Eindrücke und Reflexionen zum Verlauf einer Sitzung untereinander teilen, ohne die Therapeut:in und Klient:in direkt anzusprechen. Dies hilft, neue Einsichten und Perspektiven für den therapeutischen Prozess zu gewinnen.

Reframing

Reframing bedeutet, eine Situation oder ein Verhalten in einem neuen, positiveren Kontext zu sehen. Der Klient:in bekommt eine alternative Sichtweise, die das Verhalten als Chance oder Lerngelegenheit umdeutet.

Ressourcenarbeit

Die Ressourcenarbeit konzentriert sich auf die Stärken und Fähigkeiten der Klient:innen. Ziel ist es, diese Ressourcen zu aktivieren, um Lösungen zu finden und das Selbstbewusstsein zu stärken.

Symptomverschreibung

Die Symptomverschreibung fordert den Klient:in dazu auf, das Symptom absichtlich zu verstärken. Dies entmachtet das Symptom und ermöglicht es, dass der Klient:in die Kontrolle über die Situation zurückgewinnt.

Schlussintervention („Hausaufgabe“)

Die Schlussintervention ist eine Technik, bei der Klient:innen gebeten werden, eine konkrete Aufgabe oder Übung außerhalb der Sitzung zu erledigen. Dies fördert das Weiterdenken und Handeln in Richtung Veränderung.

Systemische Fragen

Systemische Fragen sind ein fundamentales Werkzeug, um festgefahrene Denkmuster zu hinterfragen und neue Perspektiven zu eröffnen. Zu den häufig verwendeten Fragen gehören:

  • Ausnahmefragen: Fragen, die sich auf die Momente beziehen, in denen das Problem nicht präsent ist. Sie helfen den Klient:innen, neue Lösungen zu entdecken. Beispiel: „Wann war die Situation zwischen Ihnen und Ihrem Partner:in besser als jetzt?“
  • Bewältigungsfragen: Fragen nach früheren erfolgreichen Krisenbewältigungen im Lebensverlauf: Als Sie schon einmal in einer ähnlichen Situation waren, was haben Sie damals gemacht?
  • Hypothetische Fragen: Fragen, die den Klient:innen neue Möglichkeiten und Handlungsoptionen vor Augen führen. Beispiel: „Was würden Sie tun, wenn Sie morgen plötzlich keine Angst mehr hätten?“
  • Offene Fragen: Fragen auf die Klient:innen weder mit „Ja“ noch mit „Nein“ antworten könnten. Dies wären geschlossene Fragen. 
  • Skalierungsfragen: Fragen, die eine Skala von 0 bis 10 verwenden, um das Ausmaß eines Problems oder einer Emotion zu messen und Veränderungen sichtbar zu machen. Beispiel: „Auf einer Skala von 0 bis 10, wie stark ist Ihre Angst in dieser Situation?“
  • W-Fragen: Fragen, die mit einem W-Wort beginnen außer Warum: Wie… ist das für Sie?, Was…bedeutet das Ihrer Meinung nach?, Wofür… ist das gut? (statt Warum)
  • Wunderfrage: Eine Frage, bei der der Klient:in sich vorstellt, dass plötzlich alle Probleme verschwunden sind. Beispiel: „Stellen Sie sich vor, morgen passiert ein Wunder und Ihr Problem ist gelöst. Was ist anders?“
  • Zirkuläres Fragen: Diese Technik hilft, die Perspektive auf das Verhalten anderer zu verstehen und zu reflektieren. Beispiel: „Wie denken Sie, würde Ihr Partner:in die Situation sehen?“

Tetralemma-Arbeit

Die Tetralemma-Arbeit hilft, verschiedene Handlungsalternativen zu einem Problem aufzuzeigen. Sie fordert Klient:innen heraus, aus festgefahrenen Denkmustern auszubrechen und neue Perspektiven zu entwickeln.

Visualisierungstechniken

Mit Visualisierungstechniken werden Klient:innen dazu angeleitet, ihre Probleme oder Ziele bildlich darzustellen. Diese Technik stärkt die Vorstellungskraft und hilft, Lösungen greifbarer zu machen.

Abschlussbemerkung zu Interventionen

Die hier aufgeführten Interventionen erheben keinen Anspruch an Vollständigkeit. Dennoch zeigt die Vielfalt der verfügbaren Interventionen – von Zirkulären Fragen bis zu Paradoxen Interventionen – die Flexibilität und Wirkmechanismen des Systemischen Ansatzes. 

Mich begeistert das Arbeiten mit systemischen Interventionen immer wieder auf’s Neue. Auch wenn nicht jede Intervention für jede Person passend ist, ermöglicht uns die Systemische Arbeit gemeinsam mit unseren Klient:innensystemen auf vielfältige Weise Antworten zu finden. 

Ich freue mich, wenn ich auch Sie mit diesem bunten Blumenstrauß an Möglichkeiten neugierig gemacht habe. 

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