Systemisch E wie Externalisierung
Systemische Begriffe kurz erklärt

Ein Mensch, der sich konsequent als der Konstrukteur seiner eigenen Wirklichkeit sieht, wäre vollkommen frei; er wäre ein freier Mensch, weil er wüsste, dass er sich seine Wirklichkeit auch anders schaffen könnte.
Paul Watzlawick
Der Begriff „Externalisierung“ stammt aus der narrativen Therapie und wurde von Michael White und David Epston (2004) als zentrale Methode entwickelt. Externalisierung beschreibt einen Prozess, bei dem ein ich-nahes Problem, das stark mit der Identität einer Person verwoben ist, von der Person „abgelöst“ wird. Es wird nicht mehr als unveränderlicher Teil der eigenen Persönlichkeit wahrgenommen, sondern als eigenständiges Etwas, das außen steht und beeinflusst werden kann. Dies erleichtert eine neue Beziehung zu dem Problem und eröffnet kreative Lösungsansätze.
Wie White und Epston (1990) formulieren:
„Externalisierung verändert die Art und Weise, wie Menschen ihre Probleme erleben. Sie ermöglicht eine Distanzierung, die sowohl eine Reflexion als auch einen aktiven Umgang mit dem Problem fördert.“
In der Praxis wird das Problem oft durch eine metaphorische Figur dargestellt, beispielsweise ein „Monster“. Diese Visualisierung hilft der Person, sich nicht mehr völlig mit dem Problem zu identifizieren und es stattdessen als etwas zu sehen, das verstanden, beruhigt oder überwunden werden kann. Dadurch wird das Gefühl der Hilflosigkeit aufgebrochen und Handlungsfähigkeit entsteht.
Eine weitere Form der Externalisierung ist die Aufstellungsarbeit.
Beispiel
Disclaimer: Alle Beispiele sind frei erfunden und zum Zwecke der Begriffserläuterung konstruiert. Sie bilden weder die Wirklichkeit noch die Komplexität der menschlichen Psyche ab, da sie einseitig einen Begriff in den Fokus nehmen. Schaubilder wurden entweder eigens für die Fälle erstellt oder inhaltlich maßgeblich verfremdet.
Situation
Malte, ein Mann mittleren Alters, kommt mit einem klaren Anliegen in die Therapie: Er leidet unter starker Eifersucht, die seine Beziehung zu seiner Partnerin massiv belastet. Seit drei Jahren ist Malte mit seiner Freundin zusammen. Obwohl er ihr vertrauen möchte, überkommen ihn immer wieder plötzlich intensive Gefühle der Angst und der Verlustkontrolle, wenn sie sich mit anderen Menschen trifft oder einfach nur Zeit für sich möchte. Diese Gefühle führen dazu, dass Malte Vorwürfe macht, Diskussionen provoziert und sich selbst in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzt. Seine Partnerin hat ihm ein Ultimatum gestellt, da sie diese Dynamik nicht länger aushält.
Malte berichtet, dass er in der Vergangenheit bereits mehrere Beziehungen durch ähnliche Muster verloren hat. Diesmal möchte er etwas ändern, denn er liebt seine Partnerin und weiß, dass sein Verhalten oft irrational ist. Trotzdem fühlt er sich der Eifersucht hilflos ausgeliefert. „Es ist, als wäre sie ein Teil von mir, den ich nicht kontrollieren kann“, beschreibt er seine Erfahrung.
Externalisierung in der systemischen Praxis
Das Problem verstehen und kennenlernen
In der Therapie beginnen wir damit, Maltes Eifersucht etwas besser kennenzulernen. Dazu stelle ich ihm einige Fragen wie z.B.:
- In welchen Situationen taucht die Eifersucht auf?
- Woran merken Sie, dass sie wieder da ist?
- Wo in Ihrem Körper können Sie sie fühlen?
- Wenn Sie sie anfassen könnten, wie würde sie sich anfühlen? Eher kühl oder warm, eher kantig oder rund, welche Farbe hat sie, ist sie eher groß oder klein?“
- Was macht sie größer oder kleiner?
Malte findet eine für ihn passende Metapher: er stellt sich die Eifersucht als einen stacheligen Seestern vor, der in ihm sitzt und ihn mit seinen Stacheln ständig sticht. Der Schmerz wird manchmal so intensiv, dass Malte impulsiv handelt, um Erleichterung zu finden.
Er erzählt, dass er in solchen Momenten versucht, den Schmerz zu stoppen, indem er seine Partnerin einschränkt. Er verbietet ihr, wegzugehen, wird wütend auf sie und macht ihr Vorwürfe: „Warum tust du mir das an?“ Oft beschimpft er sie und unterstellt ihr, dass sie ihn ohnehin für einen anderen verlassen wird. Malte erkennt, dass diese Reaktionen nicht die Lösung sind, sondern die Gefahr bergen, dass seine Partnerin ihn schlussendlich tatsächlich verlässt, weil sein Verhalten sie von ihm wegtreibt.
Die Externalisierung hilft ihm, den Seestern gedanklich aus seinem Inneren heraus zu nehmen und ihn sich vorzustellen, wie er in seiner Hand liegt. Malte beginnt, den Seestern als etwas zu sehen, das zwar unangenehm ist, aber nicht länger die Kontrolle über sein ihn hat. Er erkennt, dass der Seestern nicht „böse“ ist, sondern versucht, ihn vor Verletzungen zu schützen, indem er Alarm schlägt und ihn pikst.
Externalisierung ermöglicht einen neuen Umgang mit dem Problem
Durch die Externalisierung ändert sich Maltes Perspektive auf die Eifersucht. Statt sich von ihr beherrschen zu lassen, entwickelt er Strategien, um mit dem Seestern umzugehen:
Den Seestern ansprechen: Malte lernt, dem Seestern bewusst „zu antworten“. In Momenten, in denen die Eifersucht aufkommt, sagt er innerlich: „Ich sehe, dass du da bist. Danke, dass du mich warnen willst, aber ich habe alles im Griff.“
Dem Seestern Grenzen setzen: Malte überlegt sich, wie er dem Seestern symbolisch „eine Pause“ verschreiben kann. Zum Beispiel stellt er sich vor, wie der Seestern in eine ruhige Ecke gelegt wird, wo er keinen Schaden anrichten kann.
Verständnis für den Seestern entwickeln: In der Therapie erkennen wir gemeinsam, dass der Seestern gute Gründe hat, so zu reagieren. Malte verbindet seine Eifersucht mit Erfahrungen aus früheren Beziehungen, in denen er tatsächlich verletzt wurde. Dieses Verständnis hilft ihm, mit Mitgefühl auf den Seestern zu schauen, ohne ihm die Kontrolle zu überlassen.
Reflexion: Malte beginnt, seine Gefühle zu hinterfragen. Statt impulsiv zu handeln, fragt er sich: „Hat der Seestern wirklich recht? Oder spricht er aus einer alten Angst heraus?“
Erste Veränderungen
Durch die Externalisierung der Eifersucht gelingt es Malte, in kritischen Momenten ruhiger zu bleiben. Er berichtet, dass er sich weniger ausgeliefert fühlt und in der Lage ist, bewusster zu entscheiden, wie er reagieren möchte. Seine Partnerin bemerkt die Veränderung und empfindet die gemeinsame Zeit als entspannter.
Als seine Partnerin ankündigt, einen Abend mit Freunden zu verbringen, spürt Malte, wie der Seestern in ihm aktiv wird. Statt impulsiv Vorwürfe zu machen, erinnert er sich an die Sitzung und spricht innerlich mit dem Seestern. Er sagt: „Ich weiß, dass du Angst hast, aber wir sind in einer sicheren Beziehung. Du musst nicht so laut sein.“ Malte gelingt es, ruhig zu bleiben und seiner Partnerin Vertrauen zu schenken.
Was nimmt der Klient mit?
An folgendes will Malte sich zukünftig erinnern:
Distanz zum Problem: Die Externalisierung hilft ihm, seine Eifersucht nicht mehr als untrennbaren Teil seiner selbst zu sehen. Das gibt ihm ein Gefühl der Kontrolle.
Neue Strategien: Durch die Visualisierung des Seesterns hat Malte konkrete Werkzeuge, um in kritischen Momenten ruhiger zu bleiben.
Selbstmitgefühl: Er erkennt, dass seine Eifersucht auf frühere Verletzungen zurückgeht und nicht grundlos existiert. Dieses Verständnis hilft ihm, geduldiger mit sich selbst zu sein.
Ausblick
Malte plant, die erlernten Strategien weiter im Alltag zu üben. In kommenden Sitzungen werden wir tiefer in seine früheren Erfahrungen eintauchen, um die Wurzeln des Seesterns besser zu verstehen. Gleichzeitig arbeiten wir daran, Maltes Vertrauen in sich selbst und in seine Beziehung zu stärken. Ziel ist es, dass der Seestern nicht verschwindet, sondern seinen Platz findet – leiser und weniger bedrohlich.
Die Externalisierung kann ein sehr wirksames Werkzeug sein, um schwierige Gefühle oder Verhaltensmuster zu verstehen und neue Wege im Umgang mit ihnen zu finden. Wenn Sie ähnliche Herausforderungen erleben, lade ich Sie ein, mit mir daran zu arbeiten. Gemeinsam erkunden wir Ihre Themen und entwickeln hilfreiche Strategien für ein selbstbestimmtes Leben.