Systemisch F wie Familienaufstellung

Systemische Begriffe kurz erklärt

Familienaufstellung

Ich sehe etwas nur was Du nicht auch siehst.

Der Begriff „Familienaufstellung“ beschreibt eine Methode aus der systemischen Therapie, bei der Mitglieder eines Familiensystems oder andere relevante Elemente durch symbolische Darstellungen, Figuren oder sogar echte Personen repräsentiert werden. Klient:innen wählen intuitiv Symbole aus, die ihrer eigenen Position sowie der Position anderer Familienmitglieder entsprechen. Dabei können sowohl reale Figuren als auch abstrakte Symbole zum Einsatz kommen, um Charaktereigenschaften, Stärken, Schwächen oder emotionale Dynamiken innerhalb des Systems darzustellen.

Familienaufstellungen entwickelten sich aus verschiedenen systemischen Ansätzen. Die „Familienskulptur“, die von Virginia Satir entwickelt wurde, bildete eine Grundlage für die Arbeit mit räumlichen Anordnungen und Haltungen. Dabei lag der Fokus anfangs auf dem aktuellen Beziehungssystem und der körperlichen Darstellung metaphorischer Hinweise. Aus diesen Ansätzen entstand die heutige Vielfalt der Aufstellungsarbeit. Sie bieten eine kreative und intuitive Möglichkeit, Beziehungsmuster und Verstrickungen sichtbar zu machen. Diese Methode fördert ein tiefes Verstehen von unbewussten Strukturen und lässt neue Perspektiven und Lösungsansätze entstehen. Besonders hilfreich ist sie in Phasen des Umbruchs, wie z. B. bei der Gründung einer eigenen Familie.

Neben Familienmitgliedern können bei einer Aufstellung auch innere Anteile, verstorbene Personen, Personen aus beruflichen oder sozialen Gruppen (z. B. Kolleg:innen), Symptome und Phänomene dargestellt werden. Diese Vielfalt an Möglichkeiten macht die Methode universell einsetzbar.

Es steht den Klient:innen offen, Familienskulpturen entweder mit realen Personen oder mit symbolischen Figuren und Gegenständen durchzuführen. Letzteres bietet oft eine niedrigschwellige Herangehensweise und ermöglicht eine distanzierte Betrachtung der Dynamiken.

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Beispiel

Disclaimer: Alle Beispiele sind frei erfunden und zum Zwecke der Begriffserläuterung konstruiert. Sie bilden weder die Wirklichkeit noch die Komplexität der menschlichen Psyche ab, da sie einseitig einen Begriff in den Fokus nehmen. Schaubilder wurden entweder eigens für die Fälle erstellt oder inhaltlich maßgeblich verfremdet. 

Situation

Andreas, 29 Jahre alt, ist vor kurzem Vater geworden. Obwohl er glücklich über diese neue Phase in seinem Leben ist, fühlt er sich oft unsicher und hat das Gefühl alles falsch zu machen. Besonders belastend empfindet er seine Beziehung zu seiner Mutter, die sich seit der Geburt seines Sohnes stark verändert hat.

Früher hatte Andreas ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter. Er beschreibt diese Beziehung als symbiotisch und sah seine Mutter lange Zeit als enge Verbündete. Doch seit der Gründung seiner eigenen Familie hat Andreas das Gefühl, dass seine Mutter sich zurückgezogen hat und nicht mehr so zugänglich ist. Gleichzeitig ist die Mutter beleidigt, wenn Andreas sich nicht regelmäßig meldet. Andreas fühlt sich hin- und hergerissen zwischen der Verantwortung für seine neue Familie und den Erwartungen seiner Mutter.

Systemische Familienaufstellung in der Praxis

In einer Sitzung entscheiden wir uns dafür, Andreas‘ Herkunftsfamilie mithilfe von symbolischen Figuren darzustellen. Andreas wählt intuitiv verschiedene Objekte und stellt diese auf einem Tisch auf.

Aufstellung Herkunftsfamilie vor eigener Familiengründung

Wir beginnen damit die Familie zunächst so aufzustellen, wie Andreas sie vor der Geburt ihres Kindes wahrgenommen hat.

Familienaufstellung vor Gründung eigener Familie

Andreas wählt für sich selbst einen kleinen bunten Stachelspringball. Für seine Mutter wählt er eine Minion-Figur, für seinen Vater einen Stein und für seine Partnerin auch einen Stein. Es geht hierbei weniger darum ob und was die gewählten Gegenstände bedeuten sondern viel mehr darum in welchem Abstand sie zueinander stehen und wer wo hinschaut. 

Die Figuren sind fast in einem Quadrat aufgestellt, mit annährend gleichem Abstand zueinander. Das Bild wirkt auf den ersten Blick recht ausgeglichen. Andreas‘ Schwester wirkt etwas abgewandt. Das passt zu für Andreas. Sie ist schon früher mehr ihre eigenen Wege gegangen, weswegen der Kontakt eine Zeitlang nicht so intensiv war. Auffällig ist jedoch, dass die Mutterfigur auf dem Stachelspringball (Andreas) liegt, was Andreas als beklemmend einerseits und stimmig andererseits empfindet: „ja so war das, wir waren einfach super eng. Jetzt fühlt es sich auch ganz schön schwer an. Es ist fast als hätte ich keine Luft zum Atmen gehabt.“ Die Verbindung zu seiner Mutter war sehr eng, fast symbiotisch. Er fand das eigentlich immer gut. Allerdings fällt ihm jetzt auf, dass sie auch immer den Ton angeben hat und in gewisser Weise über Andreas‘ Leben mitbestimmt hat obwohl er bereits damals in einer Partnerschaft war.

Das ist jetzt anders. Seit Andreas einen eigenen Sohn hat sich die Situation verändert. Auch er hat sich verändert. Er möchte ein guter Vater sein und ein Vorbild für seinen Sohn. Sein eigener Vater war emotional nie besonders zugänglich und wurde von der Mutter stets rumkommandiert.

Veränderungen in der Familiendynamik erkennen

Im zweiten Schritt schauen wir uns an, wie sich die Familiensituationfür Andras heute heute darstellt:

Familienaufstellung nach Geburt des SohnesZunächst ersetzt Andreas seine Figur durch Chase aus Paw Patrol. Er möchte damit zum Ausdruck bringen, dass er sich durch die Geburt seines Sohnes nicht mehr als Kind sieht. Er ist ja nun schließlich selber Papa. Für seine Partnerin wählt er Rubble. So wie die Paw Patrol sind auch er und seine Partnerin ein Team. Das Baby soll vor den beiden liegen. Sie kümmern sich beide partnerschaftlich um den Sohn. Der jüngere Anteil von Andreas ist auch noch da und liegt dicht hinter ihm. 

Die Mutter drängt sich nah an das Neugeborene heran, was Andreas einerseits entlastet -immerhin liegt sie nicht mehr auf ihm- andererseits auch als störend empfindet. Irgendwie findet er diesen extremen Fokus auf seinen Sohn als unangemessen. Was Andreas schön findet, ist dass seine Schwester sich seinem Familiengeschehen wieder mehr zugewandt hat. Sie hat auch Kinder und hat sich sehr über den Familienzuwachs bei ihrem Bruder gefreut. Der Vater steht hinter der Mutter und wirkt wie ein Anhängsel der Mutter. 

Ein schwarzer Faden, der die Verstrickungen der Familie symbolisiert, schlängelt sich durch das gesamte System. Auch die Schwester ist von einer Schlaufe des Fadens umgeben, bleibt jedoch in einem eigenständigen Kreis. Beim Betrachten der zweiten Aufstellung empfindet Andreas die Situation als sehr eng und verwickelt.

Lösungsskulptur entwickeln

Wir überlegen gemeinsam, was Andreas machen möchte, damit es sich besser anfühlt. 

Am liebsten möchte er das alles etwas entzerren. Vor allem soll seine Mutter aus dem engen Familienkreis raus. Das macht ihn aber auch unsicher. Er ist es nicht gewohnt ohne sie Entscheidungen zu treffen und es fällt ihm schwer, sich auf seine Intuition zu verlassen. In seinem Vater hat er weder ein Vorbild für seine Vaterrolle noch für die eines Partners auf Augenhöhe. Auch wenn seine Partnerin in keiner Weise vergleichbar mit seiner Mutter ist, hat Andreas aktuell das Gefühl sehr auf sich gestellt zu sein, da die Partnerin in ihrer Mutterrolle ganz aufgeht während Andreas noch auf der Suche ist. Es wirkt so als könnte er in einer Art multiplen Identitätskrise stecken. Die neue Vaterrolle zwingt ihn sich von der Mutter abzulösen, was meist durch die Pubertät geschieht. Gleichzeitig fällt ihm durch den Umgang seiner Mutter mit dem Enkel plötzlich auf, wie besitzergreifend die Mutter sein kann. Zunächst wundert er sich darüber, doch dann wird ihm klar: „für mich ist das immer normal gewesen und ich habe ja auch davon profitiert. Meine Mutter hat mir  immer viel Sicherheit gegeben“. 

Hintergründe verstehen

Bei seinem Sohn jedoch empfindet er den Umgang der Mutter als aufdringlich und manchmal regelrecht erdrückend. Andreas bemerkt, dass er durch seinen Sohn das fühlen kann, was er sich nicht zu fühlen erlaubt hat, weil das setzen seiner Grenzen und sein Autonomiebedürfnis von der Mutter als Zurückweisung empfunden wurde. Wenn er sich von der Mutter lösen wollte, hat sie ihn irgendwie immer „wie eine Fliege am Fliegenfänger“ wieder eingefangen. Mal indem sie ihm gegenüber extrem zugewandt war, mal indem sie ihm ein schlechtes Gewissen machte, sich ihm entzog oder beleidigt war. Genau so war es jetzt auch aber irgendwie war Andreas nicht mehr bereit in dieser engen Beziehung mit seiner Mutter zu bleiben. Er wollte sein eigenes Leben leben und merkte, dass ihm die neue Verantwortung gut tat. Er spürte da eine neue Kraft in sich, die er der Aufstellung hinzufügen wollte. Sie würde ihn helfen sich aus der engen Beziehung zu seiner Mutter zu lösen. Wir fügen eine wird Ninja-Figur hinzu, die ebenfalls hinter Andreas steht und für Andreas‘ neu entdeckte Stärke und Unabhängigkeit steht.

Nun ist Andreas bereit für eine dritte Aufstellung. Ein Bild seiner Familie, wie er es sich vorstellt.

Balance finden

In einer weiteren Aufstellung entwickelt Andreas ein Lösungsszenario. Es entsteht ein neues Bild, in dem ein weißer Faden einen Kreis mit drei nach innen gerichteten Schlaufen bildet. In der Mitte liegt ein Würfel mit verschiedenen Symbolen, der für die  Kommunikation innerhalb seiner Herkunftsfamilie steht.

Familienaufstellung Lösungsskulptur

 

Die erste Schlaufe umfasst Elisas Kleinfamilie. Elisas neues unabhängiges Ich (Ninja) sitzt bei Chase auf dem Rücken und soll ihn lenken. Sein kindliches Ich (bunter Stachelspringball) liegt zwischen Andreas und seiner  Partnerin (Rubble) und fühlt sich sicher und gut aufgehoben. Es ist wichtig, weil seine unbeschwerte kindliche Seite ihm eine große Begeisterungsfähigkeit schenkt. Es ist auch der Anteil, der sich immer wieder unsicher fühlt und glaubt alles falsch zu machen aber er lernt immer besser auch fürsorglich mit diesem Anteil umzugehen. So wie mit seinem Sohn. 

In der zweiten Schlaufe steht Andreas Schwester (Everest-Yeti) mit ihrer Kleinfamilie. Diese Schlaufe zeigt, dass sie in ihrem eigenen Kreis Stabilität und Eigenständigkeit gefunden hat.

Die dritte Schlaufe umgibt Andreas‘ Mutter (Minion) und Vater (Stein) sowie einen Hund. Die Nähe der Mutter zu Andreas‘ Kernfamilie wird reduziert. Jeder hat seinen eigenen Kreis und es gibt Grenzen. Der schwarze Faden, der in der vorherigen Familienaufstellung die Verstrickungen symbolisierte wurde durch den weißen Faden ersetzt. Er verbindet die Kreise auf eine Weise, die Kontakt ermöglicht, ohne die einzelnen Systeme einzuengen. Andreas beschreibt dieses Bild als sehr befreiend und spürt erstmals Klarheit und Balance in seiner neuen Rolle. 

Verankern und Zusammenfassen

Damit es Andreas gelingt das veränderte Bild Realität werden zu lassen, ist es wichtig, das gewonnene Gefühl von Klarheit und Balance zu verankern. Er verknüpft das Gefühl mit einer Bewegung, bei der er erst die Arme in die Hüften stemmt und sie dann vor der Brust verschränkt und das Kinn anhebt. Wenn das nicht reicht seinen inneren Ninja zu aktivieren, stampft er zusätzlich noch mit dem Fuß auf den Boden und sagt: Meine Grenze.

Dann fasst er nochmal zusammen was er nicht vergessen möchte: 

  1. Klare Rollen: Er versteht, dass er nun eine neue Rolle als Vater und Partner hat, die sich von seiner alten Rolle als Sohn deutlich unterscheidet.

  2. Stärken erkennen: Neben seiner angepassten Seite hat er auch eine starke, selbstbewusste Seite, die unabhängig sein möchte und sein eigenes Leben selbstbestimmt führen will.

  3. Abgrenzung: Andreas versteht, dass es wichtig ist, etwas Abstand zu seiner Ursprungsfamilie, insbesondere zu seiner Mutter, zu bekommen und ihr und auch anderen Grenzen aufzuzeigen. Auch wenn er sich damit noch nicht ganz wohl fühlt,  sieht er, dass es notwendig ist, sie in einem eigenen Kreis zu lassen, ohne den Kontakt ganz abzubrechen.

  4. Balance: Er erkennt, dass seine Unsicherheit Teil eines Prozesses ist, in dem er seine neue, eigenständigere Identität findet.

Ausblick

Andreas plant, die Erkenntnisse aus der Aufstellung in seinem Alltag zu nutzen. Er möchte seine Beziehung zu seiner Partnerin weiter stärken, indem er sich bewusst auf seine neue Familie fokussiert. Gleichzeitig arbeitet er daran, im Freundes und Bekanntenkreis Grenzen zu setzen und Themen, die ihn stören oder verunsichern schneller und ganz offen anzusprechen. In der Beziehung zu seiner Mutter versucht er etwas weniger Zeit zu investieren. 

Es fällt ihm weiterhin schwer sich ihr gegenüber abzugrenzen. In weiteren Sitzungen wollen wir die Dynamiken zwischen den „Kreisen“ weiter erkunden und an Andreas‘ Selbstbewusstsein arbeiten, damit er sich in seiner neuen Rolle als Vater und gleichwertiger Partner sicherer fühlt. 

Die Methode „Familienaufstellung“ bietet eine kreative und tiefgehende Möglichkeit, Familiendynamiken, eigene Bedürfnisse, Grenzen und Konflikte sichtbar zu machen und neue Perspektiven zu gewinnen. Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden oder Herausforderungen in Ihrer Familie erleben, lade ich Sie ein, diese Methode mit mir zu erkunden. Gemeinsam finden wir Wege zu mehr Klarheit, Balance und Stärke.

Disclaimer: Alle Beispiele sind frei erfunden und zum Zwecke der Begriffserläuterung konstruiert. Sie bilden weder die Wirklichkeit noch die Komplexität der menschlichen Psyche ab, da sie einseitig einen Begriff in den Fokus nehmen. Schaubilder wurden entweder eigens für die Fälle erstellt oder inhaltlich maßgeblich verfremdet. 

 

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