Systemisch G wie Genogramm

Systemische Begriffe kurz erklärt

Genogramm

Je mehr wir über die Geschichte der eigenen Familie wissen, desto mehr Freiheit gewinnen wir für das eigene Leben.

Das Genogramm ist ein visuelles und symbolisches Instrument, das in der systemischen und familientherapeutischen Arbeit verwendet wird, um die Struktur und Dynamik von Familienbeziehungen über mehrere Generationen hinweg darzustellen. Es geht über die einfache Darstellung von biologischen Verwandtschaftsverhältnissen hinaus und umfasst die emotionalen, sozialen und kommunikativen Muster, die innerhalb der Familie bestehen. Laut Monica McGoldrick (2008) ermöglicht das Genogramm eine detaillierte Abbildung nicht nur der familiären Verbindungen, sondern auch der zugrundeliegenden psychosozialen Dynamiken und Konflikte, die die Mitglieder über Generationen hinweg prägen.

In der Genogrammarbeit wird das Genogramm genutzt, um unbewusste, oft jahrzehntelang bestehende Muster und Wechselwirkungen sichtbar zu machen. McGoldrick betont, dass durch diese visuelle Darstellung tiefere Einblicke in die familiären Geschichten und deren Auswirkungen auf das aktuelle Leben eines Individuums ermöglicht werden. Das Genogramm dient somit als Werkzeug, das den Klienten und Therapeuten dabei unterstützt, nicht nur familiäre Strukturen zu erkennen, sondern auch die oft ungesagten, emotionalen Themen, die die Familie durchziehen und das Verhalten des Einzelnen beeinflussen.

Roedel (2014) ergänzt, dass das Genogramm hilft, familiäre Strukturen und Kommunikation zu entschlüsseln. Es ist ein diagnostisches wie auch ein therapeutisches Instrument, das Veränderungsprozesse unterstützt, indem es die Grundlage für das Verständnis und die Bearbeitung von Mustern schafft, die sich über Generationen hinweg fortpflanzen.

Kernpunkte der Genogrammarbeit nach Roedel:

  • Visualisierung familiärer Beziehungen und prägender Ereignisse
  • Aufdeckung unbewusster Muster und Konflikte
  • Einbeziehung mehrerer Generationen zur Erkennung langfristiger Dynamiken
  • Unterstützung von Erkenntnisprozessen und Veränderungsprozessen

In meiner systemischen Praxis nutze ich das Genogramm als ein Werkzeug, um mit Klient:innen deren familiäre Strukturen und die zugrundeliegenden emotionalen Dynamiken zu erkunden. Das Genogramm hilft dabei, unbewusste Muster zu erkennen und diese im Verlauf der Therapie zu reflektieren, um neue Perspektiven auf familiäre Beziehungen zu gewinnen und mehr Klarheit über eigene Bedürfnisse und Grenzen zu entwickeln.

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Beispiel

Disclaimer: Alle Beispiele sind frei erfunden und zum Zwecke der Begriffserläuterung konstruiert. Sie bilden weder die Wirklichkeit noch die Komplexität der menschlichen Psyche ab, da sie einseitig einen Begriff in den Fokus nehmen. Schaubilder wurden entweder eigens für die Fälle erstellt oder inhaltlich maßgeblich verfremdet. 

 

Situation

Eliza ist eine besonnene, junge Frau, die seit Jahren unter Migräne leidet. Besonders auffällig ist, dass ihre Migräne häufig auftritt, wenn ein Familienereignis bevorsteht. Eliza hat schon viel darüber nachgedacht, ob ihre Migräne mit der Trennung ihrer Eltern zusammenhängt, ein Thema, das auch in ihrer Hypnosetherapie zur Sprache kam. Doch sie ist sich unsicher, ob diese Ereignisse der Ursprung ihrer Beschwerden sind. In der Therapie kommen wir zu dem Schluss, dass es wichtig wäre, ihre familiären Wurzeln mithilfe eines Genogramms genauer zu untersuchen, um herauszufinden, ob es noch andere unbewusste Einflussfaktoren gibt.

Systemische Intervention mit dem Genogramm

Genogramm erstellen

GenogrammarbeitGemeinsam mit Eliza beginne ich, ein Genogramm ihrer Familie zu erstellen. Dabei schauen wir uns nicht nur die direkten familiären Beziehungen an, sondern auch die emotionalen Dynamiken, die zwischen den Generationen bestehen. Eliza beschreibt, dass auf der Seite ihres Vaters viele konfliktreiche Beziehungen existieren – offen ausgetragene Auseinandersetzungen, Missverständnisse und ungelöste Spannungen. Im Gegensatz dazu sind die Beziehungen auf der Seite ihrer Mutter viel harmonischer. „Die Streiten einfach nicht so viel“ meint sie. Diese Unterschiede zwischen den beiden Familienteilen fallen Ihr in dieser Klarheit das erste Mal auf. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt kommt ans Licht, als Eliza von ihrer Oma erzählt. Sie erinnert sich, dass sie bei Streitigkeiten zwischen ihr und ihrer Schwester, als sie beide noch Kinder waren von ihrer Oma oft den Satz hörte: „Du solltest keinen Krach anfangen, bevor du nicht weißt, wieviel dabei einkracht.“ Ihre Oma sagte den Satz zwar freundlich aber irgendetwas in Ihrer Stimme ließ Eliza und ihre Schwester den Konflikt sofort beenden. Meist zogen sich die beiden Schwestern jede in ihr Zimmer zurück. Eliza wusste dann oft nicht was sie mit dem Ärger auf ihre Schwester anfangen sollte. Viel später erst verstand sie, warum ihre Oma, die auch unter Migräne litt, Streit um jeden Preis vermeiden wollte. Ihre Vater, der nichts von Familiengeheimnissen hielt, erklärte Eliza, dass ihre Oma als junges Mädchen ihren Bruder während eines Streites verlor, als dieser ins Wasser fiel und ertrank. Diese traumatische Erfahrung hatte ihre Oma stark geprägt und könnte die Haltung gegenüber Konflikten beeinflusst haben. Eliza beginnt zu ahnen, dass ihre Migräne möglicherweise auch mit der Familiendynamik und den unbewussten Ängsten vor Konflikten zu tun hat.

Symptome verstehen

Als nächstes analysieren wir, welche Rolle die Migräne in Elizas Leben spielt. Wir kommen gemeinsam zu der Erkenntnis, dass die Migräne eine beziehungsgestaltende Funktion haben könnte. Sie könnte Eliza unbewusst dabei helfen, sich von den offen ausgetragenen Konflikten auf der Seite ihres Vaters zurückzuziehen, ohne ihre eigenen Grenzen offen kommunizieren zu müssen. Die Migräne wird so zu einem Schutzmechanismus – sie ist eine „leise“ Möglichkeit, sich von belastenden familiären Auseinandersetzungen zu distanzieren. Sie muss ihren Vater nicht vor den Kopf stoßen, der seine lautstark streitende Familie durchaus liebt und ist auch gleichzeitig ihrer Oma und Mutter gegenüber loyal, die, die offene Streitkultur der Familienseite Ihres Vaters mit Sätzen wie „die sind ja eh wieder nur am streiten“ verurteilten.

Auswirkungen über Generationsgrenzen hinweg

Im Genogramm konnten wir sehen, dass in der Familie ihrer Mutter mehrere Personen unter Migräne leiden bzw. litten. Außerdem hat das Genogramm die Harmoniebedürftigkeit der Familie zum Ausdruck gebracht. Diese familiären Zusammenhänge könnten darauf hindeuten, dass die Migräne in Elizas Familie eine lange Geschichte hat und möglicherweise in Verbindung mit unterdrückten oder nicht offenen Gefühlen steht. Wir überlegen, ob diese körperlichen Beschwerden als Ausdruck für ungelöste emotionale Konflikte dienen, die aus der familiären Geschichte stammen.

Was nimmt die Klientin mit?

Eliza nimmt aus der Sitzung eine neue Perspektive auf ihre Migräne mit. Sie versteht nun, dass ihre Beschwerden möglicherweise nicht nur körperlicher Natur sind, sondern auch eine unbewusste Reaktion auf familiäre Konflikte und emotionale Spannungen darstellen. Die Erkenntnis, dass ihre Migräne möglicherweise eine Funktion hat, ihre Grenzen zu schützen und das offene austragen von Konflikten zu vermeiden, gibt ihr ein besseres Verständnis für ihre eigene Symptomatik

Ausblick

Für Eliza könnte eine weitere Auseinandersetzung mit ihrer Familie und deren emotionalen Mustern hilfreich sein. Eine mögliche Intervention könnte darin bestehen, die Kommunikationsmuster innerhalb der Familie zu hinterfragen und neue, gesunde Wege der Kommunikation zu finden, um Konflikte nicht nur zu vermeiden, sondern auch konstruktiv zu lösen. Darüber hinaus könnte es hilfreich sein, mit Eliza an ihrer Selbstwahrnehmung zu arbeiten, um ihre eigenen Grenzen klarer zu erkennen und zu kommunizieren, ohne dass dies in körperliche Beschwerden mündet. Auch eine tiefere Arbeit an der Integration von Elizas eigenen Bedürfnissen und Wünschen im Kontext ihrer Familiengeschichte könnte eine wichtige Weiterentwicklung in der Therapie darstellen.

Möchten Sie auch mehr über die unbewussten Muster in Ihrer Familie erfahren und wie diese Ihr heutiges Leben beeinflussen? Vielleicht ist es auch für Sie hilfreich, mit mir gemeinsam in die Tiefe zu gehen und Ihr eigenes Genogramm zu erstellen.

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