Systemisch T wie Triangulation
Systemische Begriffe kurz erklärt

Kind: „Mama, darf ich ein Eis haben?“
Mutter: „Frag deinen Vater.“
Kind: „Papa, darf ich ein Eis haben?“
Vater: „Was hat Mama gesagt?“
Kind: „Sie hat gesagt, ich soll dich fragen.“
Vater: „Na gut, dann hol dir eins.“
Triangulation beschreibt das Einschalten einer dritten Person in eine Zweierbeziehung (Dyade), meist um ein unausgesprochenes Problem zu regulieren oder einem Konflikt auszuweichen. Triangulation kann kurzfristig entlastend wirken, weil sie Spannung abbaut – etwa durch Ablenkung, Bündnisbildung oder das Auslagern unangenehmer Gefühle. Langfristig kann sie jedoch die direkte Kommunikation stören und die eigentliche Beziehungsebene schwächen.
Besonders heikel wird es, wenn Kinder in Triangulationen hineingezogen werden. Wenn sie zum Beispiel als emotionale Stütze oder als Vermittler:innen zwischen den Eltern fungieren, geraten sie in einen Loyalitätskonflikt, der sie überfordert und ihre Entwicklung belastet.
Die Systemische Perspektive fragt nicht: „Wer ist schuld?“ – sondern schaut auf die Funktion: Wofür braucht das System die dritte Person? Welchen unausgesprochenen Konflikt reguliert sie?
Der systemische Therapeut und Supervisor Arist von Schlippe beschreibt in seinem Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung, die Dynamik von Triangulation in Familienkontexten so:
Triangulationen entstehen dort, wo es zwischen zwei Beteiligten ungelöste Spannungen gibt – die dritte Person dient der Stabilisierung, trägt aber oft die Last der ungelösten Konflikte.
vgl. Schlippe/Schweitzer, 2012
Beispiel
Disclaimer: Alle Beispiele sind frei erfunden und zum Zwecke der Begriffserläuterung konstruiert. Sie bilden weder die Wirklichkeit noch die Komplexität der menschlichen Psyche ab, da sie einseitig einen Begriff in den Fokus nehmen. Schaubilder wurden entweder eigens für die Fälle erstellt oder inhaltlich maßgeblich verfremdet.
Situation
Lisa, 10 Jahre alt, lebt nach der Trennung ihrer Eltern bei der Mutter. Diese leidet sehr unter dem Kontaktabbruch zum Ex-Partner und spricht häufig mit Lisa über ihre Enttäuschung: „Du bist die Einzige, die mich noch versteht.“ Der Vater, der ein schlechtes Gewissen hat, weil er für Lisa im Alltag aufgrund der neuen Wohnsituation weniger präsent ist, beklagt, warum sie ihn nicht öfter anrufe; er vermisse sie so sehr. Damit möchte er ihr zeigen, dass sie ihm wichtig ist. Bei Lisa entsteht jedoch ein anderes Gefühl. Sie weiß nicht, was sie antworten soll – und zieht sich immer mehr zurück.
Systemische Interventionen
Die Triangulation sichtbar machen
Im Gespräch mit Lisa wird schnell deutlich, dass sie sich zwischen den beiden Elternteilen hin- und hergerissen fühlt. Ich lade sie ein, zu erzählen, was sie jeweils von Mutter und Vater hört – und wie sie sich dabei fühlt. Durch achtsames Nachfragen wird klar: Lisa empfängt von ihren Eltern Aufträge – ohne, dass sie diese Rolle bewusst gewählt hat. Die Eltern nutzen sie, um über Bande miteinander zu kommunizieren, statt sich direkt auszutauschen. Ein klassisches Beispiel für eine Triangulation.
Auswirkungen transparent machen, ohne Schuld zu verteilen
Im wertschätzenden Austausch mit den Eltern benenne ich die systemische Dynamik und erläutere, was passiert, wenn Lisa zur Überbringerin von Erwartungen wird. Wie fühlt es sich für ein Kind an, wenn es versucht, beiden Elternteilen gerecht zu werden – und dabei selbst auf der Strecke bleibt? Diese Fragen helfen den Eltern zu verstehen, dass ihre Aussagen Lisa in eine Loyalitätsfalle treiben, die sie emotional überfordert.
Verantwortung dorthin zurückgeben, wo sie hingehört
Im weiteren Prozess arbeite ich mit den Eltern daran, die versteckten Bedürfnisinformationen hinter ihrem Verhalten zu erkennen. Die Mutter leidet unter der Trennung und hofft – oft unbewusst –, dass ihr Ex-Partner über Lisa mitbekommt, wie schlecht es ihr geht, und ihr Trost spendet. Der Vater hat ein schlechtes Gewissen, weil er durch die neue Wohnsituation im Alltag weniger präsent ist, scheut aber den direkten Kontakt mit seiner Ex-Frau, weil er spürt, wie sehr sie unter der Trennung leidet. Er meint, sie schonen zu müssen, indem er ihr jetzt nicht auch noch Lisa „wegnimmt“. Gleichzeitig möchte er, dass Lisa weiß, wie sehr er sie vermisst.
Für Lisa fühlt es sich an, als müsste sie die unausgesprochenen und teils unbewussten Gefühle beider Eltern ausbalancieren. An dieser Aufgabe kann sie nur scheitern – Rückzug wird so zur gesunden Reaktion. Doch dieser Rückzug hat für Lisa einen Preis: Sie fühlt sich allein, unverstanden und ist unsicher, ob ihre Eltern sie noch lieb haben.
Indem wir diese Mechanismen benennen, entsteht Raum für Veränderung. Die Eltern lernen, Verantwortung für ihre eigenen Gefühle zu übernehmen und diese direkt miteinander zu klären – oder sich emotionale Unterstützung bei Freund:innen zu holen. Lisa bekommt damit die Erlaubnis, wieder Kind zu sein, Vertrauen aufzubauen und sich in den Beziehungen zu ihren Eltern sicher zu fühlen.
Triangulation entsteht oft unbewusst – als (gut gemeinter) Versuch, Spannung zu vermeiden oder Nähe herzustellen. Doch was kurzfristig entlastet, kann auf Dauer Beziehungen belasten.
In meiner systemischen Praxis unterstütze ich Familien, Paare und Einzelpersonen dabei, solche Dynamiken zu erkennen, zu verstehen und zu verändern – nicht mit Schuldzuweisungen, sondern mit dem Blick für Zusammenhänge, Bedürfnisse und neue Handlungsmöglichkeiten.
Wenn Sie das Gefühl haben, in einer Beziehung immer wieder zwischen die Fronten zu geraten – sei es in der Familie, in der Partnerschaft oder im Team –, melden Sie sich gerne. Ich biete einen geschützten Rahmen, in dem wir Ihre Situation ohne Wertung analysieren und neue Perspektiven entwickeln, die Ihnen einen alternativen Umgang mit der Situation ermöglicht.