Systemisch C wie Coping-Strategien

Systemische Begriffe kurz erklärt: Coping-Strategie

Coping-Strategie

Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.

Coping-Strategien sind individuelle Bewältigungsmechanismen, die Menschen einsetzen, um mit Stress, Belastungen, Krisen oder Herausforderungen umzugehen. In der systemischen Therapie betrachte ich dabei nicht nur das individuelle Verhalten, sondern auch die Wechselwirkungen innerhalb des Systems, zu dem eine Person gehört (z. B. Familie, Arbeitsumfeld, Freundeskreis).

Steve de Shazer, einer der Begründer der lösungsorientierten Kurzzeittherapie, betont in diesem Zusammenhang die Rolle der Bewältigungsfragen. Diese Fragen lenken die Aufmerksamkeit auf vorhandene Ressourcen und bereits bewährte Lösungsansätze:

  • „Wie schaffen Sie es, trotz des Stresses weiterhin Ihren Alltag zu bewältigen?“
  • „Was tun Sie bereits, um mit dieser Situation umzugehen?“
  • „Gab es schon einmal eine ähnliche Situation, und wie haben Sie diese gemeistert?“

Durch diese Perspektive unterstütze ich Klient*innen dabei, funktionale Strategien zu verstärken und gleichzeitig Raum zu schaffen, um dysfunktionale Strategien zu erkennen und zu verändern.

Typische Coping-Strategien lassen sich wie folgt einteilen:

  • Funktionale Coping-Strategien: Diese zielen darauf ab, die Belastung nachhaltig zu reduzieren und Lösungen zu fördern. Beispiele sind die Nutzung sozialer Unterstützung, das Setzen klarer Grenzen oder das Finden kreativer Lösungen.
  • Dysfunktionale Coping-Strategien: Diese verschaffen kurzfristig Erleichterung, verstärken jedoch langfristig das Problem. Beispiele sind Verdrängung, exzessive Arbeit oder destruktive Verhaltensweisen wie Aggression oder Rückzug.

Die zentrale Frage ist nicht, ob eine Coping-Strategie „richtig“ oder „falsch“ ist, sondern ob sie langfristig hilfreich ist und die Person in ihren Zielen unterstützt.

Beispiel

Disclaimer: Alle Beispiele sind frei erfunden und zum Zwecke der Begriffserläuterung konstruiert. Sie bilden weder die Wirklichkeit noch die Komplexität der menschlichen Psyche ab, da sie einseitig einen Begriff in den Fokus nehmen. Schaubilder wurden entweder eigens für die Fälle erstellt oder inhaltlich maßgeblich verfremdet. 

 

Situation

Sam, 35 Jahre alt, schilderte mir in einer Sitzung, dass er sich im Arbeitsalltag zunehmend gestresst fühlt. Besonders die ständige Flut von E-Mails und dringenden Anfragen setzte ihm zu. Sam beschrieb: „Tagsüber komme ich kaum dazu, etwas zu erledigen, weil immer neue Aufgaben auf mich zukommen. Ich habe angefangen, abends zu arbeiten, weil dann endlich Ruhe ist.“

Intervention in der Anteile-Arbeit

  1. Coping-Strategien erkennen:
    Mithilfe von Bewältigungsfragen nach Steve de Shazer habe ich zunächst erkundet, wie Sam aktuell mit der Situation umgeht:

    • „Was tun Sie bereits, damit der Stress für Sie erträglicher wird?“
    • „Wie schaffen Sie es, trotz der vielen Anfragen Ihre Aufgaben zu erledigen?“

    Sam reflektierte, dass er durch das nächtliche Bearbeiten von E-Mails kurzfristig Erleichterung findet: „Abends ist es ruhig, da kommen keine neuen Anfragen. Das gibt mir das Gefühl, alles im Griff zu haben.“ Diese Strategie half ihm, den Arbeitsdruck temporär zu reduzieren.

    Im Gespräch haben wir jedoch gemeinsam erkannt, dass diese Strategie langfristig problematisch ist: Sam hatte weniger Zeit für Erholung und Schlaf, was dazu führte, dass er am nächsten Tag weniger leistungsfähig war. Zudem gewöhnten sich seine Kolleg*innen an seine nächtlichen Antworten und schickten ihm vermehrt E-Mails, was den Druck weiter erhöhte.

  2. Hintergründe verstehen:
    Mit einer weiteren Bewältigungsfrage – „Gab es in der Vergangenheit eine ähnliche Situation, und wie haben Sie diese gemeistert?“ – erinnerte sich Sam an seine Jugend: Als ältester von drei Geschwistern fühlte er sich häufig für die Familie verantwortlich, besonders wenn sein Vater beruflich unterwegs war. „Ich wollte meiner Mutter immer helfen, weil ich gesehen habe, wie gestresst sie war. Ich habe immer versucht, alles alleine zu regeln.“

    Diese Erfahrung hatte dazu beigetragen, dass Sam unbewusst die Annahme verinnerlicht hatte: „Ich muss alles allein schaffen, um die Kontrolle zu behalten.“

  3. Ressourcen aktivieren:
    Im Gespräch habe ich erkundet, welche Strategien Sam früher erfolgreich genutzt hat, um Belastungen zu bewältigen, ohne sich zu überfordern. Er erinnerte sich daran, dass er in stressigen Phasen auch immer wieder Momente der Entspannung gesucht hatte, z. B. durch Sport oder Gespräche mit Freunden.

    Mit weiteren Bewältigungsfragen habe ich Sams Aufmerksamkeit auf seine Ressourcen gelenkt:

    • „Was hat Ihnen in der Vergangenheit geholfen, um sich zu entlasten?“
    • „Wer könnte Ihnen helfen, die aktuelle Situation zu verbessern?“

    Sam erkannte, dass er nicht alles allein lösen muss und dass es möglich ist, Aufgaben zu delegieren und klare Grenzen zu setzen.

  4. Praktische Schritte:

    1. Kommunikation: Sam plante, ein Gespräch mit seinen Kolleg*innen zu führen, um neue Regeln zur Erreichbarkeit zu etablieren. Er wollte klarstellen, dass er außerhalb der Arbeitszeiten keine E-Mails mehr beantwortet.
    2. Delegation: Sam identifizierte Aufgaben, die er an Kolleg*innen abgeben konnte, um seinen Arbeitsumfang zu reduzieren.
    3. Selbstfürsorge: Er entschied, an zwei Abenden pro Woche komplett offline zu bleiben und stattdessen Zeit für Hobbys oder Entspannung zu nutzen.

Was nimmt Sam mit?

In der Sitzung wurde Sam klar, dass seine bisherigen Coping-Strategien zwar kurzfristig Entlastung verschaffen, langfristig jedoch seine Erschöpfung verstärken. Er erkannte, dass er nicht alles allein bewältigen muss und dass es erlaubt ist, Unterstützung einzufordern. Eine wichtige Erkenntnis war, dass das nächtliche Arbeiten zwar das Gefühl von Kontrolle gibt, ihn jedoch weiter von seinen eigentlichen Bedürfnissen wie Erholung und Ausgleich entfernt.

Sam konnte für sich mitnehmen, dass er durch klare Kommunikation und das Setzen von Grenzen nicht nur seinen Stress reduzieren, sondern auch seine beruflichen Beziehungen verbessern kann. Zudem wurde ihm bewusst, dass er bereits über Ressourcen und frühere Strategien verfügt, die ihm in ähnlichen Situationen geholfen haben. Diese Erkenntnisse stärkten sein Vertrauen in seine Fähigkeit, aktiv und lösungsorientiert mit Herausforderungen umzugehen.

Ausblick

Sam lernte, alte Muster zu hinterfragen und neue Wege zu gehen, die ihm langfristig halfen, Belastungen zu bewältigen. Die Reflexion seiner unbewussten Grundannahmen und die Aktivierung seiner Ressourcen ermöglichten es ihm, nicht nur funktionale Coping-Strategien zu entwickeln, sondern diese auch in seinem System zu verankern.

Wenn es Ihnen auch so geht, dass Sie gerade „vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen“ und Sie am liebsten einfach nur „den Kopf in den Sand stecken wollen“, nehmen Sie sich die Zeit und treten einen Schritt zurück. 

Gemeinsam schauen wir, welche automatschen Gedanken und Handlungen Sie sich über die Jahre angeeignet haben, um mit Stress, Überforderung, Ängsten oder anderen herausfordernden Gefühlen und Situationen umzugehen. Gemeinsam sortieren wir, was davon nachhaltig hilfreich ist und welche Strategien zwar kurzfristig Erleichterung schaffen, langfristig aber nicht dafür geeignet sind, Ihre Bedürfnisse zu erfüllen. 

Lassen Sie uns Ihren individuellen Prozess starten.

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