Systemisch V wie Verankerung (Hausaufgaben)
Systemische Begriffe kurz erklärt

Ich höre und vergesse, ich sehe und behalte, ich tue und verstehe.
Konfuzius
Therapeutische Sitzungen können wichtige Impulse setzen – aber echte Veränderung zeigt sich dort, wo das Leben stattfindet: im Alltag. Genau hier setzt der Begriff Verankerung an. Gemeint ist damit die nachhaltige Integration neuer Einsichten, Perspektiven oder Verhaltensweisen über die Sitzungsgrenze hinaus.
Ein bewährtes Mittel dafür sind sogenannte Hausaufgaben: kleine, machbare Aufgaben, die Klient:innen zwischen den Sitzungen erproben. Sie fördern nicht nur den Transfer in den Alltag, sondern auch die Selbstverantwortung, das eigene Erleben von Wirksamkeit und neue Perspektiven auf scheinbar festgefahrene Situationen.
Systemische Hausaufgaben haben nicht mit Schule zu tun, sondern sind vielmehr eine Einladung zwischen den Sitzungen neue Erfahrungen zu machen etwas anders zu erleben oder wahrzunehmen. Oft geht es dabei weniger um das konkrete Verhalten als um die Veränderung der inneren Haltung, die durch Wiederholung und bewusste Aufmerksamkeit gefestigt wird.
Wie Gunther Schmidt in seinem Werk „Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung“ betont:
In der Hypnotherapie geschieht grundsätzlich eigentlich gar nichts Neues, es kann niemals von außen etwas ‚in den Menschen hineingebracht‘ werden, was nicht ohnehin schon längst als gelebtes Potential gespeichert ist.
Schmidt, G. (2005), S. 34f.
Verankerung heißt also:
Veränderung beginnt im Gespräch – aber sie entfaltet ihre Wirkung im Tun.
In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, wie hilfreich es ist, neue Erkenntnisse nicht nur im Gespräch zu gewinnen, sondern sie auch im Alltag zu verankern – zum Beispiel durch kleine, konkrete Übungen oder bewusste Handlungen zwischen den Sitzungen.
Lassen Sie uns Ihren individuellen Prozess starten.
Nutzen Sie mein Angebot für ein kostenfreies 15-minütiges Erstgespräch.
Beispiel
Disclaimer: Alle Beispiele sind frei erfunden und zum Zwecke der Begriffserläuterung konstruiert. Sie bilden weder die Wirklichkeit noch die Komplexität der menschlichen Psyche ab, da sie einseitig einen Begriff in den Fokus nehmen. Schaubilder wurden entweder eigens für die Fälle erstellt oder inhaltlich maßgeblich verfremdet.
Situation
Frau E., Anfang 40, Mutter von zwei Kindern, arbeitet Teilzeit und ist oft die erste, die „Ja“ sagt – zu Extraterminen, zu Bitten von Kolleg:innen, zur Lieblingsmarmelade der Schwiegermutter. Sie spürt: Es wird ihr zu viel. Und trotzdem fällt es ihr schwer, sich abzugrenzen. Ihre größte Sorge: als egoistisch zu gelten.
Systemische Interventionen
Einen inneren Satz finden
In der Sitzung arbeiten wir heraus, was für sie ein guter innerer Satz sein könnte – einer, der sie nicht verhärtet, sondern stärkt. Nach einigem Ausprobieren bleibt sie bei:
„Ich darf für mich sorgen – ohne Schuldgefühl.“
Dieser Satz fühlt sich für sie stimmig an. Kraftvoll, aber nicht abgrenzend im Sinne von „Gegen die anderen“, sondern für sich.
Verankerung in Form einer Geste
Ich lade sie ein, diesen Satz mit einer kleinen körperlichen Geste zu verbinden – etwas, das sie im Alltag unauffällig tun kann. Sie entscheidet sich dafür, ihre Hände bewusst zu falten, sobald sie merkt, dass eine Entscheidung von ihr erwartet wird. Diese Bewegung hilft ihr, sich zu sammeln – einen kleinen Moment zwischen Reiz und Reaktion zu schaffen.
Verankerung mittels Hausaufgabe
Gemeinsam überlegen wir, wie sie dieses neue Verhalten im Alltag üben kann. Ihre Aufgabe:
👉 In drei Situationen pro Tag bewusst „Nein“ sagen – sei es zu einer Aufgabe, die sie nicht übernehmen will, oder zu einer Bitte, bei der sie innerlich zögert.
Dabei legt sie ihre Hände ineinander, spürt kurz in sich hinein und antwortet dann.
Diese kleine Übung verknüpft den inneren Satz mit der körperlichen Geste und einer konkreten Handlung – so entsteht ein spürbares, neues Verhalten, das sich über Wiederholung langsam verankert.
Ich bin überzeugt: Therapie findet zwischen den Sitzungen statt.
Aus diesem Grund arbeite ich gerne mit Verankerung und sogenannten „Hausaufgaben“ – die, wie bereits beschrieben, nichts mit Schulaufgaben zu tun haben. Sie sind absolut freiwillig und verstehen sich als Einladung, den Fokus neu auszurichten.
Häufig ist es weniger die Erkenntnis in einer Sitzung, die Veränderung schafft als eine neue Erfahrung im Alltag – einen Moment, in dem sich ein neuer, hilfreicher Gedanke etabliert, eine neue Haltung spürbar wird oder ein kleines verändertes Verhalten seine Wirkung entfaltet.
Wenn du Lust hast, solche Erfahrungen in deinem Leben zu verankern, begleite ich dich gerne dabei.